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Bericht zur Erkundung in der Pfarrei der Zukunft Cochem-Zell

Vorgehensweise der Erkundung

Das Erkunderteam I war mit vier Personen für vier Räume zuständig: außer Cochem-Zell auch für Adenau-Gerolstein, Kaisersesch und Wittlich. Nach der Aussendung durch Bischof Stephan am 22. Februar 2018 hatten die Erkunder 18 Monate Zeit, ihren Auftrag auszuführen. Grundsätzlich waren die verschiedenen Teams autark, um Erkundungen in den jeweiligen Räumen selbstständig zu initiieren sowie unterschiedlichen Fragestellungen und Ideen zu folgen. Im Team I haben wir uns in einer frühen Phase dazu entschlossen, die Erkundungsprozesse in den uns zugeteilten vier Räumen in einem hohen Maße beteiligungsorientiert und in Kommunikation mit den haupt- und ehrenamtlichen Verantwortungsträgern in den bestehenden Systemen (Dekanat, Pfarreien, Caritas-verband) sowie sonstigen Interessierten anzulegen. Auf diese Weise sollte die Erkundung sowohl konkrete Wahrnehmungen und Erkenntnisse erheben als auch einen Dialog über Kirchenentwicklung und spirituelle Haltungen ermöglichen.

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Hier können Sie die PDF des gesamten Erkundungsberichts (inklusive der im Text erwähnten Anlagen) aus der Pfarrei der Zukunft Cochem-Zell herunterladen.

  • Kontaktaufnahme mit dem Erkundungsraum

    Der Raum der Pfarrei der Zukunft Cochem-Zell bildet einen Teil des jetzigen Dekanats Cochem. Unser erster Kontakt war ein Treffen mit Dekanatsreferentin Dietlinde Schmidt am 06.03.2018. Darin wurde uns die Unterstützung durch das Dekanatsbüro zugesagt, vor allem bei der Verteilung von Informationen in verschiedene Post- und Mailverteiler sowie für den Kontakt mit lokalen Redaktionen wie z. B. Amtsblätter. Darüber hinaus konnten wir erste Einschätzungen einholen, mit welchen Reaktionen wir rechnen durften, wenn wir zum „Rendez-vous im neuen Raum“ und zur Erkundung einladen.

    Dekanatsreferentin und Dekanatsbüro haben wir während der gesamten Erkundungsphase als engagierte und konstruktive Begleiter erfahren. Einen weiteren Kontakt in der Startphase hatten wir am 15.03. mit der „Steuerungsgruppe Synode“ des Dekanats, die sich aus dem Hauptamtlichenteam und der Dekanatsratsvorsitzenden zusammensetzt. Hier konnten wir unseren Auftrag und die geplante Vorgehensweise erläutern.

    Bei dieser Gelegenheit trafen wir erstmals Beate Kolb als Dekanatsratsvorsitzende. Sie hat den Erkundungsprozess auf vielfältige Weise begleitet und unterstützt, nicht zuletzt durch das großzügige Angebot, das „Rendezvous im neuen Raum“ auf einem Schiff der Gebr. Kolb Personenschifffahrt zu veranstalten.

    Am 17.04. hatten wir Gelegenheit, uns der Dekanatskonferenz vorzustellen. Eine erfreuliche Anzahl hauptamtlicher Kolleginnen und Kollegen haben sich anschließend auf verschiedene Weise am Erkundungsprozess beteiligt. Auf der Ebene des Caritasverbands hatten wir am 11.04. außerdem ein Gespräch mit dem Direktor des Caritasverbands Mosel-Eifel-Hunsrück e. V., Frank Zenzen. Auch hier wurde uns volle Unterstützung zugesagt, indem Herr Zenzen in den Caritaseinrichtungen auf die Erkundung aufmerksam machen und zur Mitarbeit einladen wollte. Wir konnten feststellen, dass bei allen Veranstaltungen sowie in einzelnen Erkundungen verschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Caritasverbands beteiligt waren.

  • Rendez-Vous im neuen Raum am 4. Juni 2018

    Als Rahmenbedingung war für alle Erkundungsteams vereinbart worden, dass es in jeder Erkundungsregion (Raum der Pfarrei der Zukunft) zum Start eine oder mehrere Veranstaltungen mit dem Titel „Rendezvous im neuen Raum“ geben sollte. Für Cochem-Zell haben wir uns für eine zentrale Rendezvous-Veranstaltung ent-schieden. Dazu wurde breit eingeladen, um allen Interessierten die Möglichkeit zu geben, die Idee der Erkundung kennenzulernen und sich als Miterkundende am Prozess zu beteiligen. Mit dem Moselschiff „Wappen von Cochem“ am Anleger in Beilstein konnten wir einer-seits einen attraktiven Veranstaltungsort anbieten und zugleich verschiedene inhaltliche Assoziationen wecken: Der Fluss als Verbindung, das Schiff als Mittel der Mobilität und letztlich auch die Wahrnehmung, dass alle in einem Boot sitzen.

    Zum Rendezvous im neuen Raum kamen rund 150 Interessierte. Die Teilnehmergruppe setzte sich fast aus-schließlich aus Personen zusammen, die haupt- oder ehrenamtlich in Pfarrei, Dekanat oder in kirchlichen Einrichtungen und Verbänden tätig sind. Die Beweggründe zur Teilnahme lagen bei vielen weniger in einem unmittelbaren Interesse an der Erkundung und dem Zugehen auf etwas Neues, sondern eher in der Sorge anlässlich der Veränderungen und dem allgemeinen Wunsch, konkretere Einzelheiten über die Umsetzung der Synode vor Ort zu erfahren. Im Anschluss an einen Informationsteil über die Hintergründe und die Handlungsansätze der Erkundung wurden in einer Gruppenarbeit erste Fragen und Anregungen auf Moderationskarten gesammelt. Die Ergebnisse bestätigen die Wahrnehmung, dass es den Rendezvous-Gästen überwiegend um die Frage ging, wie die bestehenden Formen der vertrauten Pfarreistruktur bewahrt werden können. (Ein Bericht über das Rendezvous findet sich unter Punkt 8 in der Dokumentation).

  • Inhaltliche Weichenstellung für die weitere Erkundung

    Die Tatsache, dass sich der Erkundungsprozess in erster Linie mit Menschen aus dem inneren Kern der gegenwärtigen Kirchenstruktur gestaltete und damit viel stärker vom Erleben eines Verlustes als von der Möglichkeit eines Zugewinns geprägt war, hatte großen Einfl uss auf unsere weitere Vorgehensweise.

    Wir gingen von folgenden Beobachtungen und Annahmen aus:

    • Die Akteure, denen wir beim Rendezvous und in der Folge begegnet sind, werden auch wesentliche Mitgestalter der Pfarrei der Zukunft sein. Unsere Aufgabe sahen wir darin, in einen konstruktiven Dialog über Kirchenverständnis und Kirchenentwicklung einzutreten sowie für die Perspektivwechsel und Haltungen des Synodenabschlussdokuments Übungsmöglichkeiten anzubieten.
    • Das Reden über Erkundung bekam eine Gleichwertigkeit gegenüber dem Erkunden selbst. Dadurch, dass es in der Gruppe der Miterkunderinnen und -erkunder unterschiedliche erkenntnisleitende Interessen und Motive gab und aufgrund der Tatsache, dass zu den Treffen immer auch interessierte Personen kamen, die selbst nicht an konkreten Erkundungen beteiligt waren, drehten sich viele Gespräche um grundsätzliche und oft auch sehr spirituelle Fragen: „Wozu sind wir Kirche?“ und „Was ist mein persönlicher Zugang?“
    • Auf dieser Grundlage haben wir uns darauf eingelassen, dass Erkundungen sehr frei und ohne unseren unmittelbaren Einfluss durchgeführt werden konnten. Ideen aus der Gruppe haben wir bei den gemeinsamen Treffen diskutiert und nach einem möglichen Lerninteresse befragt. Die Entscheidung, wer mit wem zu welchem Thema auf welche Weise erkundet, blieb aber bei den jeweiligen Initiatoren. Zugleich haben wir unsererseits Erkundungsthemen gesetzt und zum Miterkunden eingeladen. Auf diese Weise wollten wir für eine Themenvielfalt sorgen und Anwaltschaft für diakonische Perspektiven und für ein „Sehen“ übernehmen, das auf binnen-kirchlich geprägte Bewertungen und Handlungsoptionen verzichtet.
  • Teamorganisation

    Schon bei der Planung der Rendezvous-Veranstaltungen für unsere vier Erkundungsräume stellten wir fest, dass eine teaminterne Arbeitsteilung vieles erleichtern würde. In der ersten Phase verständigten wir uns deshalb, dass jedes Teammitglied als Erstansprechpartner und Kümmerer für je einen Raum fungieren sollte. Diese Aufgabe beinhaltete vor allem, die schnelle Beantwortung von Anfragen zu gewährleisten und Kontaktlisten zu pflegen. Als die Erkundungsphase sich nach den Rendezvous-Veranstaltungen immer weiter diff erenzierte, haben wir die Arbeitsteilung noch weiter verfeinert. Die Funktion des Erstansprechpartners wurde erweitert in eine Hauptverantwortlichkeit für jeden Raum, was auch die Entscheidungskompetenz beinhaltete, Erkundungen und Veranstaltungsformate eigenständig zu gestalten. Ergänzend haben wir jeder hauptverantwortlichen Person einen Tandempartner zugeteilt, so dass wir als Erkunderteam in jedem Raum zu zweit unterwegs waren. Für den Raum der Pfarrei der Zukunft Cochem-Zell wurden Herbert Tholl als Hauptverantwortlicher und Hermann Hower als Tandempartner benannt.

    Unsere Erkunderteamtreff en haben wir über die gesamte Zeit zu viert gestaltet, um untereinander in en-ger Abstimmung zu bleiben und uns jederzeit kollegial beraten zu können. Mit dieser Arbeitsweise haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Durch die differenzierte Vorgehensweise in den vier Räumen konnte jeder Hauptverantwortliche von der Praxis der jeweils anderen für seinen eigenen Bereich profitieren. Zwischen Februar 2018 und August 2019 hatten wir 20 meist halbtägige Teamtreffen. Darüber hinaus gab es 16 meist ganztägige Treffen mit allen Erkunderteams, die für die Vergewisserung und die Planung weiterer Prozessschritte für uns ebenfalls von großer Bedeutung waren.

  • Veranstaltungen während der Erkundungsphase

    Alle Personen, die beim „Rendezvous im neuen Raum“am 04.06.2018 durch Eintrag auf bereitgestellten Flipcharts ihr Interesse am weiteren Prozess bekundet hatten, wurden zum Folgetreff en am 09.08. auf der Marienburg eingeladen. Von den insgesamt 80 Personen, die eine Einladung erhalten hatten, kamen 30. Mit dieser Gruppe wurde das Thema „Was heißt erkunden und wie kann ich mich beteiligen?“ vertieft. Bereits an diesem Abend entstanden die wesentlichen Ideen für die Erkundungen, die ab Herbst 2018 durchgeführt worden sind.

    Die Gruppe der Interessierten war bunt zusammengesetzt: hauptamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger aus Pfarrei und Dekanat, Kita-Leitungen und Erzieherinnen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Caritasdienststellen und Lebensberatung, ein evangelischer Mitchrist aus Cochem – und vor allem viele ehrenamtlich engagierte Menschen aus dem Raum der künftigen Pfarrei der Zukunft. Diese Gruppe blieb über ein Jahr konstant zusammen und hat neben den einzelnen Erkundungen einen gemeinsamen Lernprozess absolviert, der auch als geistlicher Prozess gesehen werden darf. Jedes der insgesamt fünf Treffen haben wir mit einer Selbstmitteilungsrunde begonnen. Dabei konnte zunehmend festgestellt werden, dass die Begegnung mit Menschen aus unterschiedlichen Orten und mit unterschiedlichen Kirchenbezügen für alle eine ermutigende Wirkung hatte. Auch Sorgen und Befürchtungen, die in der Runde geteilt wurden, wichen einer grundsätzlichen Zuversicht, dass es sich lohnt, Schritte in die noch ungewisse Zukunft zu gehen.

    Besonders markant war ein Treff en im November 2018, bei dem wir als Anregung für die Austauschrunde kleine Zettel mit Sprüchen ausgelegt hatten. Wir hatten bewusst Sätze mit zuversichtlicher und mit pessimistischer Aussagerichtung ausgewählt. Beispiele: „Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen“ (Kurt Marti), „Gestern standen wir vor dem Abgrund, heute sind wir einen Schritt weiter“, „Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen?“ (Mt 8,26), „Lebbe geht weider“ (Dragoslav Stepanovic, Fußballtrainer). In der Runde wählten alle eine positive Aussagerichtung. Ein Teilnehmer, der den Spruch mit dem Abgrund gewählt hatte, erklärte: „Gestern fühlte ich mich wie vor einem Abgrund. Heute bin ich einen Schritt weiter, aber ich bin in keinen Abgrund gefallen.“

    Neben den konkreten Berichten und Absprachen über laufende Erkundungen war jedes Treff en auch geprägt von Informationen, Erläuterungen und Gesprächen zum aktuellen Stand der Synodenumsetzung. Vor allem bei einem Treff en am 19.01.2019 in unmittelbarer Folge der bischöflichen Entscheidung, zunächst mit 15 Pfarreien der Zukunft zu beginnen, gab es Diskussionsbedarf.

    Neben der Wahrnehmung, dass es unterschiedliche Ein-stellungen zu dem Umstand gab, dass die Pfarrei der Zukunft Cochem-Zell noch nicht zum 01.01.2020 eingerichtet würde, war erstaunlich, mit welcher Gelassenheit die Gruppe insgesamt reagierte. Wir hatten den Eindruck, dass im Laufe des Prozesses die Bereitschaft gewachsen war, unaufgeregt mit der Materie der Veränderung umzugehen.

  • Öffentlichkeitsarbeit

    In der Ankündigung des Erkundungsstarts hat uns das Dekanat Cochem unterstützt, indem es unsere Einla-dung über dessen Mail- und Postverteiler verbreitet hat. Außerdem wurden Amtsblätter und Lokalredaktionen der Tagespresse informiert. Ergänzend wurden durch unser Team verschiedene Schlüsselpersonen mit einem persönlichen Anschreiben eingeladen (Landrat, Verbandsgemeindebürgermeister, evangelische Pfarre-rin und Pfarrer). Für die laufende Information über den Stand der Erkundung hatten wir einen eigenen Mailverteiler eingerichtet, über den wir die Gruppe der 80 Personen, die sich beim Rendezvous auf unsere Plakate eingetragen hatten, mit deren Einverständnis regelmäßig erreicht haben. Darüber hinaus haben wir die Homepage der Pfarrei der Zukunft Cochem-Zell genutzt, um Veranstaltungen anzukündigen, über einzelne Erkundungen zu berichten und einen Überblick über die laufenden Erkundungen zu geben (siehe www.cochem-zell.erkundung.info). Über den Kontakt zur Bischöflichen Pressestelle, zur Paulinusredaktion und zu verschiedenen Redaktionen der Tagespresse ist es immer wieder gelungen, über die Erkundung im Raum der Pfarrei der Zukunft Cochem-Zell öffentlich zu berichten.

    Beispiele:

    • Paulinus: „Im Großen das Kleine stärken“in der Ausgabe 22 vom 2. Juni 2019 (SIEHE KAPITEL 4, ANLAGE 14.1)
    • Rhein-Zeitung: Artikel „Erkunderteam will wissen, was Gläubige wollen“ vom 11. Juni 2018(SIEHE UNTEN ABSCHNITT 8) - zu finden jeweils in der Dokumentation
  • Asuwertung des Erkundungsprozesses vor Ort

    Allen Gruppen, die eigenständig Erkundungen durchgeführt haben, ist ein individuelles Auswertungsgespräch angeboten worden. Die meisten Teams haben diese Gelegenheit genutzt, um Unklarheiten beim Ausfüllen der Kurzdokumentation zu besprechen und ihre Erfahrungen zu reflektieren. Als verantwortliche Bistumserkunder haben wir in diesen Gesprächen vor allem auf zwei Fragen Wert gelegt: „Was sind meine/unsere wichtigsten Erkenntnisse im Erkundungsprojekt?“ und „Wie ist es mir beim Erkunden ergangen?“ Die Antworten zeigten uns, dass der Vorgang des Erkundens, sobald er in einen Dialog führt, bei den Erkundenden etwas auslöst. Eine ehrenamtliche Erkunderin sagte: „Ich habe gemerkt, dass man zuerst mal ganz lange zuhören muss.“ Eine andere ebenfalls ehrenamtlich Beteiligte stellte fest: „Ich bin in Situationen gekommen, in denen ich über meinen Glauben Auskunft geben musste. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber es war für mich eine sehr wertvolle Erfahrung.“

    Beim letzten Erkundertreff en mit der Interessiertengruppe am 13.06.2019 haben wir eine Auswertung des Prozesses mit vier Fragestellungen vorgenommen. Die Ergebnisse sind auf der folgenden Seite dargestellt. Markant ist die Äußerung, die im anschließenden Rundgespräch in den Raum gestellt und von vielen bestätigt wurde: „Während der Erkundungsphase war unsere Gruppe hier selbst ein Ort von Kirche.“

Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse

Die Erkundungsphase ist initiiert worden, um in den Räumen der Pfarreien der Zukunft die von der Synode beschriebenen Perspektivwechsel konkret einzuüben und dabei Erkenntnisse zu gewinnen, die für die Seelsorge und für die Lebensformen von Kirche in den neuen Strukturen wegweisend sein können. Dies ist im Raum der Pfarrei der Zukunft Cochem-Zell in vielfältiger Weise geschehen, einerseits durch Veranstaltungen und andererseits ganz wesentlich durch konkrete Erkundungsprojekte, an denen neben den Bistumserkundern auch viele haupt- und ehrenamtliche Akteure aus dem Raum selbst beteiligt waren.

Eine Auswertung der Erkundungsphase lässt sich in drei Richtungen vornehmen. Vor dem konkreten Blick auf die Wahrnehmungen und die ermittelten Themen aus den einzelnen Erkundungen (2 B) empfiehlt es sich zunächst, die Reaktionen zu beobachten und zu reflektieren, die durch die Ankündigung der Erkundung und die Anwesenheit der Erkunder vor Ort ausgelöst worden sind (2 A). Eine dritte Perspektive bilden Rückmeldungen, die die Erkunder bei ihren Exkursionen im Raum zum Erscheinungsbild und zur Vertrauenswürdigkeit der Kirche als Institution und als Dienstleister erhalten haben (2 C). Diese drei Blickrichtungen sollen hier schlaglichtartig beleuchtet werden. (Den gesamten Text finden Sie in der Dokumentation)

Wahrnehmungen zur Veränderungsdynamik im Zusammenhang mit der Erkundungsphase

  • Irritation und Motivation

    Mit dem Start der Erkundungsphase zeigte sich schnell, dass damit eine vielschichtige Dynamik ausgelöst wor-den ist, die unterschiedlichste Interessen und Befindlichkeiten berührt hat. Vor allem zu Beginn des Prozes-ses waren verschiedene Irritationen und Widerstände zu beobachten. Die Tatsache, dass die Erkunder als eher ungebetene Besucher in einen bereits kirchlich „vermessenen“ Raum eingetreten sind, hatte Verunsicherung bei nicht wenigen lokalen Akteuren zur Folge. Dass die vom Bischof ausgesendeten Teams keine Spione seien, wie von den Initiatoren immer wieder versichert wurde, mussten diese erst im „Realitäts-Check“ beweisen. Die ersten unwillkürlichen Fragen in den Seelsorgeteams und bei den ehrenamtlichen Verantwortungsträgern hießen deshalb: Sollen wir jetzt begutachtet und beurteilt werden? Und: Wenn die Erkunder keine wesentlich andere Qualifikation haben als die vor Ort tätigen Hauptamtlichen – was wollen die uns denn dann beibringen?

    Spätestens bei der Rendezvous-Veranstaltung am 4. Juni 2018 auf dem Moselschiff „Wappen von Cochem“ in Beilstein wurde zudem klar, dass die Einladung zum Erkunden fast ausschließlich Menschen angesprochen hat, die langjährig in ihren Pfarreien und kirchlichen Einrichtungen aktiv und integriert sind und den Veränderungen im Zuge der Synodenumsetzung tendenziell skeptisch begegnen. Die Erwartung, dass die Erkundungseinladung auch bislang eher kirchlich Distanzierte aktivieren könnte, hat sich nicht erfüllt. Das Interesse der Menschen auf dem Schiff war deshalb weniger von der Neugier geprägt, was Kirche im Blick auf soziale Räume noch alles bedeuten könnte, sondern eher von der Sorge, wie die bisher als wertvoll und tragend erlebten Formen erhalten werden können. Viele waren (trotz eindeutig formulierter Einladung) vor allem deshalb gekommen, weil sie sich neue Informationen zur Synodenumsetzung und zu konkreten Maßnahmen vor Ort versprochen haben. Nur ein Teil der Versammlung konnte sich auf die Idee der Erkundung einlassen. Und fast allen war die freudige Erwartungshaltung fremd, die der eigens hergestellte Motivations-Trickfilm zur Erkundung hervorrufen wollte. Zugleich zeigte uns die Resonanz auf das Rendezvous aber auch, dass vielen Menschen ihre Kirche etwas bedeutet und dass in der Sorge viel Energie steckt.

  • Lernprozesse bei Erkundern und Miterkundenden

    Für unser Erkunderteam war es umso erstaunlicher, dass beim ersten Treff en im Anschluss an das Rendezvous am 9. August 2018 rund 30 interessierte Personen zur Marienburg kamen, also rund 20 Prozent der damaligen Teilnehmerzahl. Mit dieser sehr interessierten und konstanten Gruppe haben wir ein Jahr lang bis zum Ende der Erkundungsphase zusammengearbeitet. Bei den insgesamt fünf Treff en und zahlreichen Einzelkontakten mit Miterkundenden und Interessierten haben wir als Erkunderteam drei Dinge gelernt:

    1. Wir waren nicht nur Erkunder, sondern Synodenvermittler
    2. Das Neue gibt es schon und wird nur bedingt von den Erkundern „entdeckt"
    3. Entscheidend ist die Haltung

    Ausführliche Beschreibung in der Dokumentation

  • Kommunikation als wesentlicher Faktor – nach innen und nach außen

    Durch die oben beschriebene Gemengelage aus unterschiedlichen Interessen und Erwartungen der vielen Betroff enen haben wir schon bei den ersten Kontakten mit der Dekanatsebene festgestellt, dass unsere Wirkungsmöglichkeit hauptsächlich darin bestehen würde, mit unterschiedlichen Rollenträgern und Gruppen im Raum der Pfarrei der Zukunft in einen Diskurs über Kernfragen der Synode zu kommen: Wozu sind wir Kirche? Wie kann das Bistum Trier sich in die Zukunft bewegen? Was bedeuten die Perspektivwechsel sowie die dahinter liegende diakonisch-missionarische Ausrichtung für unser lokales Kirchensystem, für meine bisherige Rolle sowie für mich in meinem Christsein?

    Konkrete Erkundungsprojekte konnten im Idealfall von den Beteiligten als Übungsmöglichkeit genutzt werden, mit anderen Brillen auf die Räume zu schauen, in denen sie leben und sich (kirchlich) engagieren.

    Die Zwischentreff en mit den Erkundungsinteressierten entwickelten im Laufe des Prozesses verschiedene Zielrichtungen, die parallel nebeneinander lagen und sich auch überschnitten.

    • Die Auseinandersetzung mit der in der Erkundung grundgelegten Haltung bildete den Schwerpunkt unserer Treffen. Immer wieder waren wir mit der Frage beschäftigt, wie ich sehen lernen kann, ohne schon zu urteilen oder vorher zu wissen, was ich entdecken werde. Auch die Frage, welche Rolle die diakonische und sozialräumliche Ausrichtung der Erkundung spielt, begleitete uns vom Anfang bis zum Schluss.
    • Regelmäßig erwies es sich als notwendig, dass Informationen über die Synode und die Umsetzung mit in die Treffen einflossen: teilweise um sicherzustellen, dass wir das Gleiche meinen, z. B. wenn wir von „Pfarrei“, „Gemeinde“, „Orte von Kirche“, „Seelsorge“ usw. sprechen, teilweise aber auch, weil sich parallel zur Erkundungsphase viele Synodenumsetzungsschritte konkretisiert haben und die Menschen ein Forum gesucht haben, sich auszutauschen und mit den Dingen umzugehen.Die Frage, welche Rolle die Erkundung in diesen Zusammenhängen spielen kann, blieb dabei die zentrale Perspektive.
    • Eine Ebene, die immer im Blick war, ist die Glaubenskommunikation und die spirituelle Reflexion. Die Art und Weise, wie in der Gruppe Befürchtungen und Zuversicht geteilt wurden, war für alle ermutigend und bereichernd. Viele haben dies in der Abschlussrefl exion ausdrücklich angemerkt.

    Im Kontakt mit öffentlichen Einrichtungen und Schlüsselpersonen haben sich die Erkunder sehr stark in der Rolle von Synodenanwälten und Repräsentanten des Bistums erlebt. Vor allem den Vertretern der Politik war es wichtig zu identifizieren, wer ihr Gegenüber ist bzw. wen und was sie vertreten. Während der Gespräche ist oft eine Mischung aus strategischen und sehr persönlichen Kommunikationssträngen im Blick auf Kirche entstanden, bedingt durch die Tatsache, dass die meisten Schlüsselpersonen, mit denen wir gesprochen haben, auf eine eigene Kirchenbiografi e verwiesen haben. Für die Gestaltung unserer Rolle erforderte das, auf den jeweiligen Kommunikationsebenen als Dialogpartner fungieren zu können.

    Um die Erkundungsphase und in deren Kontext die Synodenumsetzung in der öffentlichen Wahrnehmung zu behalten, haben wir versucht, verschiedene Medien zu bedienen. Sowohl die Bistumszeitung „Paulinus“ als auch die regionale Presse haben verschiedene Beiträge aufgenommen. Daneben haben wir die Homepage der Pfarrei der Zukunft genutzt, um über die Erkundung im Allgemeinen und über konkrete Erkundungsprojekte zu berichten. Von Seiten des Dekanats und der Seelsorge-teams wurden wir in der Organisation und der Kommunikation sehr gut unterstützt.

Thematische Schwerpunkte, die beim Erkunden entdeckt worden sind

Analog zu der oben beschriebenen Interessenlage rund um Erkundung und Kirchenentwicklung hat sich bei den konkreten Erkundungen ein buntes Bild an Fragestellungen und Optionen ergeben. Es gab Erkundungsprojekte, die stärker von einer restitutiven Idee geprägt waren (Wie können wir ein Handlungsfeld wieder herstellen und neu beleben?) oder von dem Wunsch, distanzierten Menschen den Wert kirchlicher Ausdrucksformen zu vermitteln. Und es gab Erkundungen, die eher off en angelegt waren, um soziale Räume und Lebenswelten von Menschen zu erschließen, ohne bereits kirchliche Handlungsansätze in den Blick zu nehmen. Bei Gesprächen mit Schlüsselpersonen im kommunalen Bereich hat sich wie-derum gezeigt, dass kirchliche Kontexte und Handlungsoptionen stark durch die Gesprächspartner eingetragen worden sind und die Erkunder teilweise Mühe hatten, sozialräumliche und kommunale Themen losgelöst von kirchlichen Organisationsfragen zu besprechen.

Erkundungen wurden in unterschiedlichen Gruppenkonstellationen durchgeführt. Es gab Teams, in denen Bistumserkunder mit haupt- und ehrenamtlichen Akteuren vor Ort gemeinsam unterwegs waren, aber auch solche, die ohne Bistumserkunder aktiv waren, teilweise aus Haupt- und Ehrenamtlichen gemischt zusammengesetzt, teilweise rein ehrenamtlich.

Die Kurzdokumentationen [KAPITEL 3 in der Dokumentation] geben einen Überblick über die Vielfalt an Themen und Interessen. Das Bistumsteam hat Erkundungsideen im Rahmen der Gruppentreff en und in Einzelgesprächen beraten und Unterstützung bei der Durchführung angeboten. Die Handlungshoheit inklusive der Dokumentation des Ergebnisses blieb jedoch bei den jeweiligen Initiatoren. Insofern bildet Kapitel 3 auch die Vielfalt und Heterogenität innerhalb der Gesamtgruppe ab.

Aus den Erkenntnissen aller Erkundungen sind im Folgenden die Kernthemen gebündelt dargestellt, jeweils mit Verweisen auf die entsprechenden Kurzdokumentationen einzelner Erkundungen, in denen diese Themen sichtbar geworden sind.

  • Entwicklung als gemeinsames Thema für Kirche, Dorf und ländlichen Raum

    Der Landkreis Cochem-Zell ist durch seine ländliche Prägung mit ähnlichen Fragen konfrontiert, welche auch die Kirchenentwicklung im Bistum Trier organisatorisch herausfordern: Infrastruktur, Mobilität sowie Erreichbarkeit und Gewährleistung von Nähe in großen Räumen im Zusammenspiel mit Formen bürgerlicher Selbstorganisation vor Ort. Im Blick auf die Lebensbedingungen der Menschen sind vor allem zwei Gruppen im Blick: Alte Menschen und deren Möglichkeiten, möglichst lange möglichst selbstbestimmt im Dorf wohnen zu bleiben, sowie die junge Generation und ihre Chancen im Bereich Ausbildung, Studium und Beruf. Kommunale Entwicklungsformate wie die Dorfmoderation bieten Beteiligungsmöglichkeiten für eine diakonisch orientierte Kirche. Im Bereich der dörfl ichen Solidarität und Nachbarschaftshilfe gibt es einige organisierte (z. B. Dorfläden) und viele informelle sozialräumliche Ansatzpunkte.

    Ein Erkundungsprojekt hat sich die Mühe gemacht, eine Übersicht über kirchliche und nicht kirchliche Einrichtungen und Gruppierungen in den Orten der Pfarrei der Zukunft Cochem-Zell zu erstellen. Ein weiteres Projekt hat sich mit Bedürfnissen von Menschen im Zusammenhang mit Sterben und Tod beschäftigt. Dabei wurde einerseits deutlich, wie wichtig für viele Menschen ganz allgemein eine verlässliche Präsenz von Kirche in dieser Situation ist und dass andererseits nach wie vor in vielen Fällen diese Erwartung traditionell an den Priester gebunden ist. [VGL. DIE KURZDOKUMENTATIONEN 7, 8, 14, 15, 16 in der Dokumenation)

  • Diakonische Einrichtungen als Lebens- und Glaubensorte

    Im Rahmen der Erkundung haben wir drei Einrichtungen in unterschiedlicher Trägerschaft besucht (Caritasver-band, Orden, Land). Allen Einrichtungen gemeinsam ist die Verdichtung von Lebensgemeinschaft für die Menschen, die dort leben oder deren Unterstützungsangebote nutzen. In vielen Fällen ersetzt die Einrichtung die familiäre Struktur, indem dort Leben und häufig auch Glaube geteilt wird.

    Nach unserer Beobachtung schafft das Personal in diesen Einrichtungen durch hohe Motivation und Professionalität den Rahmen, dass sich würdige Lebensorte für die Menschen entwickeln können. Hier bieten sich Kooperationsformen mit Pfarreiinitiativen an. Die kirchlichen Häuser sind in der Regel schon jetzt mit der Pfarreistruktur vernetzt. Auch bei nicht kirchlichen Trägern ist von einer hohen Bereitschaft zur Kooperation auszugehen. [VGL. DIE KURZDOKUMENTATIONEN 9, 10, 11 in der Dokumentation]

  • Kita und Schule als prägende Orte für Familien und Jugendlichen

    Erkundungsprojekte im Bereich Kita und Schule haben deutlich hervorgehoben, welche Bedeutung diese Orte jeweils in denjenigen Lebensphasen haben, in denen Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit dort verbringen. Im Bereich Kita finden Eltern ein Forum, sich mit ihrer Idee von Familie und von Werten, die sie ihren Kindern vermitteln wollen, zu orientieren und sich mit anderen abzugleichen. Die Bereitschaft, sich für das Wohl des Kindes zu engagieren, ist sehr hoch. Zum Thema Familie und deren Wünsche hinsichtlich Kirche gab es ein eigenes Erkundungsprojekt, das den Kontakt mit Eltern von Kommunionkindern suchte.

    Der Blick in die Schule zeigt, dass dieser Ort für die Schülerinnen und Schüler weit mehr ist als ein „Lernbetrieb“. Hier entstehen enge freundschaftliche Beziehungen und PeerGroups, die für die Jugendlichen wichtige Orientierungen in der Identitätsentwicklung geben. Die Schulgemeinschaft und die räumlichen Lebensbedingungen haben eine hohe Bedeutung für die Schülerinnen und Schüler. Außerdem erbrachte die Befragung von Schülerinnen und Schülern dreier verschiedener Schultypen, dass die Orientierung an Werten durchweg eine große Rolle spielt.

    Eine wichtige Erkenntnis ist darüber hinaus, dass sich sowohl kommunale Kitas als auch staatliche Schulen in hohem Maße offen für Kontakte und Kommunikation mit der Kirche zeigen. [VGL. DIE KURZDOKUMENTATIONEN 1 – 3 in der Dokumentation]

  • Lernen aus den Erfahrungen der evangelischen Geschwister

    Die Evangelische Kirchengemeinde Cochem ist räumlich noch größer als die Pfarrei der Zukunft Cochem-Zell sein wird. Zwar ist die Mitgliederzahl deutlich geringer, aber im Zusammenspiel von dezentralen und zentralen Formaten und Lebensformen können viele Erfahrungen gehört und genutzt werden. Stichworte sind Jugendarbeit mit guter räumlicher und personeller Ausstattung sowie die Sicherstellung der Qualifikation Ehrenamtlicher. Lerngegenstand könnte auch die unternehmerische Haltung sein, aus der heraus die Evangelische Kirchenge-meinde Cochem kreative Problemlösungen erreicht hat, z. B. im Bereich Fundraising. [VGL. DIE KURZDOKUMENTATION 17 in der Dokumentation]

  • Christliche Motivation als Energie für Sozialraum und Gesellschaft

    Im Gespräch mit kommunalen Vertreterinnen und Ver-tretern hat sich immer wieder gezeigt, wie eng bürgerschaftliches Engagement und eine häufig vorhandene christliche Grundeinstellung miteinander verzahnt sind. Viele Menschen, die sich außerhalb von Kirche im Gemeinwesen oder in Vereinen engagieren, tun dies – teils unbewusst – aus einer christlichen Grundhaltung heraus. Oft wird das von stark binnenkirchlich geprägten  Sichtweisen ignoriert und gelegentlich auch abgewertet, weil das „richtige“ christliche Engagement „in der Pfarrgemeinde“ stattzufinden habe. Eine diakonisch-missionarische Kirche wird diese Motivationsspuren neu wahrnehmen und würdigen und damit zu einer Stärkung individueller Formen des christlichen Zeugnisses in der Welt beitragen. [VGL. DIE KURZDOKUMENTATIONEN 8, 14, 15, 16 in der Dokumentation]

  • Glaubenskommunikation als Gelegenheitsgeschehen

    Eine Kirche, der die Selbstverständlichkeiten und Routinen verlorengehen, hat die Aufgabe und zugleich auch die Chance, besser auf Gelegenheiten zu achten, die sich für Glaubenskommunikation bieten. Viele Wirkungen kommen nur deshalb zustande, weil ein Impuls zur passenden Gelegenheit erfolgen konnte. Die Erkundung hat aus sich heraus einige solcher Gelegenheiten „erzeugt“, vor allem dann, wenn erkundende Menschen im Gespräch mit anderen zur Auskunft über ihre Interessen, ihre Motivation und ihren Glauben aufgefordert wurden.

    Erkundungsprojekte, die sich ganz gezielt mit Orten beschäftigt haben, die im Blick auf persönliche Gespräche und Glaubenskommunikation eine öffnende Wirkung haben können, waren im Kloster Beilstein und in der Pfarrkirche St. Martin mit ihren Kirchenfenstern angesiedelt.[VGL. DIE KURZDOKUMENTATIONEN 2, 12, 13 in der Dokumentation]

Feedback an die Kirche im Rahmen der Erkundung

  • Authentische Rückmeldungen im Rahmen des Bestehenden

    Unsere Erfahrungen aus der Erkundung im Raum der Pfarrei der Zukunft Cochem-Zell zeigen, dass die Idee einer stärker sozialräumlich geprägten Kirche sowohl bei den „Kernmitgliedern“ als auch bei externen Gesprächspartnern eher irritiert. Von „innen“ wie auch von „außen“ wird Kirche primär mit Gottesdienstangebot und amtlicher Repräsentanz vor Ort gleichgesetzt. Demgegenüber wird diakonisches Handeln nicht als gleichwertige Existenzform von Kirche bewertet und über unmittelbare Einzelfallhilfe hinaus dem Caritasverband zugeschrieben. Missionarische und katechetische Initiative gilt als hauptamtlich zu erbringende Leistung. Die Neugestaltung der Kirche im Bistum Trier wird deshalb von den Menschen, denen wir begegnet sind, nicht als Neugewichtung, sondern vor allem als Rückzug erlebt und beklagt.

    Dass die Rückmeldungen, die wir als Erkunder zum Thema Synodenumsetzung erhalten haben, sich aus dem Modus eines bestehenden Kirchenbildes speisen, verwundert nicht. Es macht jedoch auch deutlich, dass die angestrebte Wende des Kirchenverständnisses von einer versorgten Kirche hin zu einer Kirche der Getauften noch weitestgehend am Anfang der gewünschten Entwicklung steht. Als ein Indiz für diese (noch) nicht vollzogene Bewusstseinsänderung sehen wir auch den Umstand, dass es in der allgemeinen Wahrnehmung eine klare Unterscheidung zwischen kirchlichem und bürgerschaftlichem Engagement zu geben scheint, auch wenn letzteres häufig von christlichen Motiven getragen ist.

    Die Entwicklungsfrage, die sich aus dieser Beobachtung ergibt, lautet: Wie kann es gelingen, dass die Kirche sich sowohl im Selbstverständnis ihrer Mitglieder als auch in der öffentlichen Wahrnehmung und Zuschreibung von einer eher binnenorientierten Gewährleisterin religionsgemeinschaftlicher Rituale hin zu einer nach außen wirksamen Pastoral- und Zeugnisgemeinschaft versteht? Die Erkundung konnte dazu nur kleine Anstöße liefern.

    Dass im Rahmen unserer Kontakte mit den Menschen im Raum der Pfarrei der Zukunft gelegentlich auch Lob und Kritik hinsichtlich der Arbeit hauptamtlicher Akteure vor Ort geäußert wurde, liegt in der Natur der Sache. Da die Zusage zu gelten hat, dass die Erkunder nicht als Spione unterwegs waren, haben wir bei allem Verständnis im Einzelfall den entsprechenden Beschwerdeführern unsere Rolle jeweils noch einmal erläutert. An dieser Stelle soll nur eine ganz allgemeine Wahrnehmung wiedergegeben werden: Wir konnten feststellen, dass dort eine hohe Zufriedenheit der Menschen mit den hauptamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorgern zu vernehmen ist, wo von Seiten der Pfarrer und der Seelsorgeteams eine transparente Kommunikation gepflegt wird – Information über Synode, Teilen von Sorgen, spirituelle Vergewis-serung und Offenheit für Veränderungen, Ermutigung zum gemeinsamen Christsein.

    Im umgekehrten Fall zeigt sich, dass dort, wo hauptamtliche Akteure ihre eigenen berufl ichen Ungewissheiten zur Krisenfrage für die Kirche erheben, sich die Menschen eher verunsichern lassen. Sich zuversichtlich auf die anstehenden Veränderungen einzulassen, ist auch für das hauptamtliche Personal zwar eine Herausforderung, aber auch eine Voraussetzung für den Dienst.

  • Die „neuen“ Akteure, die von der Synodenumsetzung angesprochen werden sollen, sind noch nicht sichtbar

    Da der aus der Synode hervorgegangene Veränderungs-prozess ein verändertes Verständnis von Kirche anstrebt, ist das Bistum auf zwei Entwicklungen angewiesen: Zum einen müssen die Menschen, die jetzt präsent und aktiv sind, in die neue Kirchengestalt hineinbegleitet werden, und zum anderen müssen die neuen Möglichkeiten der Pfarrei der Zukunft von denjenigen entdeckt und ergriffen werden, die sich bislang nicht beheimatet fühlen. Dass die Ankündigung einer Kirchenreform und auch die Erkundung noch nicht dazu geführt haben, eine spürbare Neugier zu wecken, kann verschiedene Gründe haben. Zunächst einmal muss davon ausgegangen werden, dass die meisten Informationen und Diskussionen über die Synode und deren Umsetzung überwiegend als kirchliche Binnenkommunikation erlebt werden, die selbst für interessierte Insider oftmals zu komplex erscheint. Darüber hinaus führt die Tatsache, dass die öffentlichen Medien gerne zu unzulässigen Verkürzungen der Fakten neigen, tendenziell zu einer Vergrößerung der Skepsis gegenüber der Kirche.

    Daneben gibt es aber auch übergeordnete Probleme, die es dem Bistum erschweren, den Wert und die Notwendigkeit der Synode und ihrer Konsequenzen zu vermitteln. Diese Probleme hängen mit der allgemeinen Vertrauenskrise zusammen, in der die Kirche in Deutschland steht. Dazu tragen nicht nur die Erschütterungen und Skandale der letzten Jahre bei, sondern auch eine allgemeine Grundhaltung der Öffentlichkeit gegenüber einer hierarchisch verfassten Kirche, der nur wenig Verände-rungsbereitschaft zugetraut wird.

    Im Rückblick kommen wir als Erkunderteam zu der Einschätzung, dass die Einladung zur Mitwirkung in der Erkundungsphase als Impuls nicht stark genug gewesen ist, um Vertrauen bei den Menschen zu bilden, die der Kirche gegenüber Distanz halten. Die Wahrnehmung und Überzeugung, dass das Bistum Trier Ernst macht mit der Errichtung einer neuen Form von Kirche, braucht konkrete Orte und Projekte, an denen das „Neue“ greifbar wird. Die Einladung zu einer gemeinsamen Suchbewegung war für viele offenbar noch nicht überzeugend genug.

    Ganz anders haben wir die Reaktion bei den Menschen erlebt, die sich dem Zweiten Vatikanischen Konzil verbunden fühlen. Vor allem viele Zeitzeugen reagieren positiv auf die angekündigte Kirchenentwicklung und kommentieren allenfalls, dass die Chancen für die Ent-wicklung einer Kirche der Getauften vor fünfzig Jahren deutlich größer gewesen wären als heute.